Elektrisch Unterwegs Vom Silicon Valley In Die Walisischen Täler. Ist die Technologie des Elektroautos so weit fortgeschritten, dass sie für den täglichen Gebrauch geeignet ist? Wir finden es bei einem 800-Kilometer-Wochenendtrip heraus. Von: Chris Dearden. Fotos: Iris Dearden.
E-Auto im Alltag Wie alltagstauglich sind E-Autos mittlerweile? Wir finden es auf einem Roadtrip heraus!
Ausgerechnet mich, einen ausgesprochenen Benzin-Junkie, an ein Elektroauto-Thema zu setzen, war nicht gerade die naheliegendste Wahl. Schließlich verbringe ich einen Großteil meines Lebens damit, mich mit Autos mit Verbrennungsmotoren zu beschäftigen und sie zu fahren. Den eifrigen Verfechtern sage ich immer, dass die E-Cars ja noch nicht mal einen Mini-Motor als Rettungsanker an Bord haben! Wie kann so eine Maschine für den täglichen Gebrauch sinnvoll sein! Aber am Ende hatte es wohl Methode, dass die Redaktion mir diesen Auftrag gab. Sie dachten wohl, wenn Elektroautos selbst jemanden wie mich überzeugen können, dann schaffen sie es bei jedem.
Tesla, von vielen als der Marktinnovator für Elektroautos angesehen, bot mir an, mir ein Modell S für ein paar Tage zu leihen, um herumzufahren, als wäre es mein normales Auto, mit so wenig Zugeständnissen in Sachen Stromaufladen wie möglich.
Ich musste es nur von ihrem Hauptquartier in der Nähe von Heathrow abholen und auf Herz und Nieren prüfen – und zwar auf einigen abgelegenen Außenposten in Nordwales.
Teslas sind sogenannte BEVs – batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, um sie von den Plugin-Hybridfahrzeugen, den sogenannten PHEVs, zu unterscheiden. In Teslas Hauptquartier in Heathrow angekommen, fiel mir sofort ein Standard- High-End-Coupé ins Auge, dessen einziger Hinweis auf seine Elektroherkunft das fehlende Auspuffrohr war. Der Schein trügt jedoch. Denn während andere E-Cars auf dem Markt von Herstellern kommen, die bereits auf eine lange Geschichte in der Herstellung von konventionellen Autos zurückblicken können, verfolgte Tesla von vornherein einen anderen Ansatz. Das Design-Team steht dem Silicon Valley näher als der traditionellen Automobilindustrie und konnte bei der Konzeption des Fahrzeugs ganz frisch bei null beginnen. Es musste nichts umgerüstet werden, damit es mit Strom funktioniert – es war von Anfang an einfach auf optimale Effizienz ausgelegt.
Was mir mein Tesla-Kontakt Laura offenbarte, hat mir die Augen geöffnet. Natürlich ist jeder, der Automatik fährt, mit dem Lenkrad und der Zweipedalanordnung vertraut. Was Sie aber wahrscheinlich noch nie gesehen haben, zumindest nicht im Auto, ist der 17-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole, der an etwas aus Raumschiff Enterprise erinnert.
Als Laura mich geduldig instruierte, wie das alles funktioniert, wurde mir klar, dass ich sehr bald auf einem Rastplatz anhalten musste, um das Handbuch in meinem eigenen Tempo durchzulesen. Wir gehen heute davon aus, dass wir in jedes Auto springen und es sofort fahren können – aber seien Sie gewarnt, das wird mit dem Tesla nicht funktionieren.
Die totale Stille war ein Schock, auch wenn ich damit gerechnet hatte. Ein noch größerer Schock war jedoch die Supersportwagen-Beschleunigung, die auch mit einem relativ sanften Antippen durch den rechten Fuß zu erreichen ist. Und ich gebe zu, in der Fahrgastzelle fühle ich mich pudelwohl angesichts der schlichten Eleganz und des hohen Komforts. Ich freue mich auf die Reise, trotz der Herausforderungen bei den Ladestationen.
Denn die größte Einschränkung bei Elektroautos ist natürlich die Reichweite pro Ladung und die Zeit, die zum Aufladen der Batterien benötigt wird. Einige frühe Modelle hatten offen gesagt lächerliche Reichweiten von deutlich weniger als 160 Kilometern bei zehn Stunden Ladezeit – gerade noch akzeptabel für die tägliche Fahrt, aber ungeeignet für einen Wochenendtrip. Heute bieten eine Reihe von Herstellern BEVs mit einer Reichweite von bis zu 320 Kilometern und einer Vielzahl von Auflademöglichkeiten an, aber Tesla hat sich eine etwas höhere Messlatte gesetzt. Das neueste Tesla Modell S, aus- gestattet mit dem größten verfügbaren Akkupack, kann angeblich über 600 Kilometer zwischen den Ladevorgängen zurücklegen. Es ist bekannt, dass die Kilometerangaben der Hersteller für Elektrofahrzeuge oft so optimistisch sind wie die ihrer eher konventionell betriebenen Cousins. Ich wollte einfach sehen, wie sich ein E-Car wirklich schlägt, indem ich von Heathrow nach Snowdonia fahre, ohne zu versuchen, die Reichweite künstlich zu verlängern – schließlich sollte es ein fairer Kampf werden. Ich würde nicht mit 80 km/h auf der Autobahn dahintuckern und bei ausgeschalteter Heizung bibbern und natürlich schalte ich in den Abendstunden das Licht ein. Außerdem war ich entschlossen, Teslas beeindruckendes und wahrscheinlich stromfressendes In-Car-Entertainment-System voll auszunutzen, das über diesen Touchscreen gesteuert wird. Der Touchscreen (auf Wunsch auch sprachgesteuert) liefert alle erdenklichen Informationen, von allen Aspekten der Fahrzeugaktivität bis hin zu Routenwarnungen und geschätzter Ankunftszeit (ETA) – und vor allem den angesichts der Batterieladung verbleibenden Kilometerstand. Clever wird Ihre Route dokumentiert und Aufladestationen angezeigt.
Im Zuge der Vorbereitungen auf die Reise hatte ich mir Zap Map angeschaut, eine ständig aktualisierte, unabhängige Website, die alle Ladestationen im Land auflistet. Zum Zeitpunkt der Drucklegung gibt es derzeit 5.402 Standorte mit insgesamt 15.506 Steckverbindern, wobei in den letzten 30 Tagen 495 neue hinzugekommen sind. Es gibt drei Geschwindigkeiten von Ladegeräten auf nationaler Ebene. Der langsamste Anschluss erfolgt über einen dreipoligen Standardstecker und ist die einfachste Form des Aufladens zu Hause. Dies sollte eine volle Ladung über Nacht liefern. Ein Schnellladegerät, das in Ihrem Wagen oder Ihrer Garage installiert ist, verdoppelt die Rate. Schnellladegeräte sind derzeit an komfortablen Aufladepunkten entlang des Straßennetzes zu finden. Erst mit ihrem Ausbau werden Langstreckenreisen mit einem Elektroauto wirklich realistisch.
Die Autos von Tesla können an jedem dieser Orte aufgeladen werden, aber dank des eigenen Supercharger- Netzwerks hat das Aufladen eine neue Stufe erreicht. Es umfasst derzeit 430 Standorte in Großbritannien und ansteigend. Bereits nach etwa 30 Minuten beträgt der Ladestatus 80 Prozent. Darüber gibt es eine App für Ihr Smartphone, die Ihnen anzeigt, wie viele Kilometer Sie quasi schon getankt haben.
Als ich Bristol nach ein paar Stunden erreichte, machte ich bei Cribbs Causeway auf einen Kaffee halt. Zwar hatte der Tesla noch genügend Ladung übrig, aber ich beschloss, während ich mir meinen Koffeinkick gab, ihn an einer Supercharger-Ladestation aufzutanken. Danach geht es auf nach Wales, und weitere drei Stunden Fahrt in geisterhafter Stille durch eine der schönsten Landschaften Großbritanniens brachten mich zu meinem Ziel mit noch 140 Kilometern im „Tank“. Ich habe mir das Tyn-y- Cornel-Hotel in Tal-y-llyn ausgesucht, um den Tesla in einer atemberaubenden Landschaft aufzuladen. Ja, die Silicon-Valley-Arme reichen sogar bis in die tiefsten Tiefen von Snowdonia!
Ich lud das Auto über Nacht auf und verbrachte den nächsten Tag damit, mich durch Täler und Berge zu schlängeln. Ich habe kaum bemerkt, dass ich den Tesla jetzt wie jedes andere Auto behandle – er macht alles, was ich will, ohne Aufhebens oder Drama, und ich habe sogar Zeit, über die eingebettete, vorausbezahlte 4G-Verbindung nach Songs auf dem eigenen Spotify-Premium-Account zu suchen. Am Ende eines stressfreien und luxuriösen Fahrtags habe ich ihn abends wieder im Hotel aufgeladen, nicht weil ich es musste, sondern weil ich es konnte. Die Rückfahrt war drama- und aufladefrei und ich gab Laura den E-Flitzer nicht ganz ohne Widerwillen zurück.
Also, ich bin jetzt drei Tage mit dem Tesla gefahren. Könnte ich mir so ein Auto nun als alleiniges Alltagsfahrzeug vorstellen? So sehr mir die Reise auch gefallen hat, bei der Beantwortung spielen auch praktische Aspekte, Wirtschaftlichkeit und die persönliche Ethik eine Rolle.
Zuerst die Praxis. Als Hausbesitzer mit Parkmöglichkeit abseits der Straße könnte ich einen Home Point für nächtliches Laden einbauen. Wenn ich in einer Mietwohnung leben würde, könnte ich das einfache dreipolige Ladekabel, das mit dem Auto geliefert wird, benutzen, aber es wäre für den täglichen Gebrauch sehr umständlich. Und denken Sie nicht einmal daran, ein Kabel über den Bürgersteig zu ziehen, um Ihr Auto auf der Straße aufzuladen. Das wäre wahrscheinlich illegal und sicherlich gefährlich. Also habe ich es in meiner Situation leichter.
Und die Wirtschaftlichkeit? In diesem Zusammenhang können wir uns in Deutschland über den so genannten Umweltbonus freuen, den die Bundesregierung seit 2016 ausgibt. Dabei handeltes sich um einen finanziellen Zuschuss auf den jeder Anspruch hat, der ein in irgendeiner Form elektrifiziertes Auto kauft. Wer ein solches förderberechtigstes Fahrzeug erwirbt erhält eine Prämie von bis zu 4.000 Euro. Allerdings: Die Förderung erhalten ausschließlich Fahrzeuge deren Netto-Listenpreis des Basismodells 60.000 Euro nicht überschreiten. Damit ist der Tesla Model S aus unserer Probefahrt in Vollausstattung nicht förderberechtigt, da sein Preis über 100.000 Euro liegt! Weiterführende Informationen zur Umweltprämie finden Sie in unserem Artikel ab Seite 144.
Aber welche Kosten kommen noch zusätzlich auf Sie zu? Eine Heimladestation von Tesla kostet rund 800 Euro inklusive Montagekosten. Zudem bietet Tesla ein vierjähriges Servicepaket an, das alles außer Reifen für rund 2.500 Euro abdeckt. Bei einer vollen Ladung einer 30-kWh-Batterie werden bei einem Strompreis von rund 29 Cent pro Kilowattstunde Stromkosten von knapp 9 Euro fällig (dies entspricht 3,50 Euro pro 100 Kilometer). Der große finanzielle Brocken bei Elektroautos sind aber die hohen Kosten für Ersatzakkus, falls sie einmal ausfallen, aber Tesla hat diesen Fall mit einer achtjährigen Garantie auf Akkupack und Antriebseinheiten abgedeckt. Dem stehen die höheren Anschaffungskosten eines BEV gegenüber, aber der Preisunterschied zwischen BEVs und traditionellen Fahrzeugen nimmt mit der Einführung neuer Modelle weiter deutlich ab.
Jetzt haben wir also die ersten beiden Punkte abgehakt, was uns zur persönlichen Ethik bringt. Für viele Menschen ist der Wunsch, keinen Beitrag zu den CO2-Emissionen zu leisten, der Hauptantrieb bei der Entscheidung für ein Elektroauto. Es ist verlockend, anzunehmen, dass null Emissionen auch gleich null Verschmutzung bedeutet, aber das ist so nicht ganz richtig (zumindest, was Großbritannien angeht). Die Verschmutzung kommt nicht vom Auto, sondern vom Kraftwerk, in dem der Strom erzeugt wird. Bei klimaschädlichen Gasen weisen BEVs, die mit durchschnittlichem britischem Netzstrom geladen werden, eine Reduktion von rund 40 Prozent im Vergleich zu einem durchschnittlichen Benzinfahrzeug auf. Schadstoffe wie Stickoxide und Partikel, die bei der Stromerzeugung eine große Gefahr für die Gesundheit darstellen, werden jedoch von den Kraftwerken weit entfernt von den städtischen Gebieten, in denen die gesundheitlichen Auswirkungen am größten sind, emittiert.
Es sieht ganz so aus, als ob ich – zu meiner eigenen Überraschung – in diesen drei Tagen zu einem Beinahe-Umsteiger geworden bin. Aber nur beinahe zugegebenermaßen. Der Grund für meine Zurückhaltung ist von sehr trivialer Natur: Die Tatsache, dass es null Motoren- oder Auspuffgeräusche gibt, nimmt mir etwas die Freude am Fahren …
Eine Tesla-Ladestation ermöglicht Tesla-Besitzern unterwegs ein schnelles Aufladen.
Der interaktive Bildschirm des Model S ähnelt einem übergroßen iPad und ist einfach und intuitiv zu bedienen.
Weit weg von Großbritanniens Städten ist der Tesla dank eines wachsenden Netzes von Ladepunkten immer noch nutzbar.
Das Tyn-y-Cornel-Hotel verfügt trotz seiner abgelegenen Lage über einen Ladepunkt für Elektroautos.
Vom Silicon Valley bis in die walisischen Täler kann ein Tesla die perfekte Lösung für emissionsfreies Fahren bieten.
890 km
in drei Tagen gefahren
167,9 kWh
Gesamter Stromverbrauch während der Fahrt, inkl. voller Aufladung am Ende
5 c
Ungefähre Kosten pro km in Kraftstoff (bei durchschnittl. Kosten von 29 c pro kWh)
228 km
Aufladen während einer 25-minütigen Kaffeepause
580 km
Wie weit wäre das Auto tatsächlich gekommen, wenn ich die Batterien leer gefahren hätte. 2,6 Sek.
0–100 k/mh Beschleunigungszeit – schneller als ein Ferrari F12 TDF oder ein Lamborghini Aventador