2018 Mercedes-Benz AMG G 63

2018 Andreas Riedmann 7 Drive-My

Hundert Prozent Steigung im Luxus-Ambiente. Mit zehn Zentimetern mehr Wattiefe ins vierzigste Baujahr. Der weltbeste Geländegänger ist noch weltbester geworden.


G-mach  und Ungemach


2018 Mercedes AMG G 63

 

Black Box. Die roten Bremssättel sollten so viel kosten wie der Rest des Autos; sie sind es rein optisch wert. Die Felgen müssten natürlich 23 Zoll haben. Sonst: Detailparade zwischen Hardcore­Funktion und High­End­Luxus. Neue LED­ Optik für den klaren Blick im Urban Jungle.


Obacht, hier kommt garantiert das Serienfahrzeug mit der ungeheuerlichsten Streckung möglicher Talente. Hochwald trifft Hochflor. Dass es den Mercedes G dabei nicht zerreißt, ist seiner beinharten Struktur zu verdanken. Leiterrahmen auch im vierzigsten Jahr seines Bestehens, jetzt aber neu mit Einzelradaufhängung vorne und massiger Domstrebe im Motorraum. Konkret sprechen wir hier vom G in seiner dreistesten Ausformung als G 63 AMG. Testwagenpreis: 230.182 Euro. 585 PS schlagen sich per Neungang-Speedshift-Getriebe und Allradantrieb zu Boden.

Der Wagen wiegt 2560 kg und steht so schwermassig da, dass selbst die 21-Zoll Pirelli Scorpio gering dimensioniert erscheinen. Zwei Sidepipes auf jeder Seite wirken wie eine halbstarke Parodie auf alles, was unter Tuningbastlern möglich ist. Dennoch: Nothing fancy at all. Man bekommt, was man sieht – und etliches mehr. Gegeben ist ein Quader mit vorgeschobenem Kubus. Beinahe zwei Meter Höhe, 4,8 Meter Länge, zehn Zentimeter mehr Breite gegenüber dem Vorgänger, aber weniger additiv (Mercedes-Text), was die Kotflügel- Ausfaltung betrifft.

Hier gleich Grundsätzliches: Man sieht einen G-Kasten, aber nichts ist, wie es war. Selbst die Scheiben, letzte Ikonen der planen Tafel, sind geringfügig gewölbt wie der Horizont vor Salerno. Die wie ehedem vorn aufgesetzten Blinker: schlaflose Nächte für Designer und Sicherheitsbeauftragte. Hoher Aluminium-Anteil und aufwendige Metall- Kompositionen. In diesen Quader packte man hinein, was bei Mercedes edel, wertvoll, aufwendig, extravagant, verschränkt, versteift und elektronisch durchwirkt ist. Redundanzen wurden nicht gescheut.

Das Radio kann man auf ungefähr fünf Arten bedienen. Das SIM-Karten-große Scrollpad jeweils links und rechts auf der Lenkradspeiche eröffnet neue Dimensionen der Bedienung (und Ablenkung). Man sollte Workshops abhalten, um den Kunden die intuitive Bedienung zu erleichtern, zumal die Symbole bei Sonnenstand schlecht ablesbar sind und die Menütiefe allein der Fahrmodus-Konfigurationen unergründlich scheint. Ehe wir uns ins Innere verlieren: Das Grundthema des G ist auch in seiner völlig überarbeiteten Form noch die Robustheit. Am Beispiel der Türen bedeutet das: außenliegende Scharniere wie bisher.

Ziehgriffe mit Drücker. Schwere Zuknaller, die bisweilen wieder aufprellen im Schloss. Sind vier Menschen zugestiegen, blinkt garantiert eine der Kontrollen im Armaturenbrett. Doppelverglasung aller Fenster. Sobald Schrittgeschwindigkeit erreicht ist, klacken die vier Metallstifte ins Schloss, laut wie Repetiergewehre. Die Hecktüre ist nach wie vor seitlich angeschlagen, schwingt massig auf mitsamt Outboard-Reserverad.


2018 Mercedes AMG G 63 interior

 

Totale Horizontale. Als Verlängerung des Haltegriffes erstreckt sich das Display über zwei Drittel des Dashboards. Auch die Mittelkonsole ist flach gehalten, gekonnt gegliedert und mit Metall-Tastatur beeindruckend orchestriert.


 

Das Aussteigen über die Trittbretter hinweg ist eher ein Hinabgleiten, wobei das Hosenbein  praktischerweise den Chrom poliert. Beim Einsteigen helfen die Trittleisten wenig, weil man einen Halbstock zu hoch gestiegen ist und sich erst recht hineinkrümeln muss. Aus dem Augenwinkel erfasst man dabei die wichtigste Distinktion des Machthabers: Schöckl proved steht auf einer Plakette in der Sitz-Basis.

Der Schöckl ist jener Hausberg von Magna-Steyr, einst Puch (so wie der G ja auch einmal Puch G hieß), jenes Terrain also, an dem schon viele Konkurrenten kläglich gescheitert sind. Der Berg der Berge, auf dem auch jedes neue G-Modell seine Meriten erringen muss (selbst der auf 99 Exemplare limitierte Landaulet mit dem V12-Motor). Wir wollen somit glauben, dass auch das aktuelle Modell dank gesteigerter Eckdaten und beibehaltener Grundsperren die Benchmark des seriösen Offroadens darstellt, mithin: bester Geländewagen der Welt. Die Wattiefe wurde nebenbei um zehn Zentimeter vertieft (auf 70 cm), die Seitenneigung zur Kippgrenze endet erst dort, wo alle davonlaufen.

Bis zu hundert Prozent Steigleistung, also 45 Grad. Drückt man einen der drei Erdungs-Knöpfe unterhalb der Elektronikverglasung, geht der Wagen in G-Modus und schnallt die Steigeisen an. Wird selten passieren. Eher wird man per Sohle das Fahrpedal- Momentum (850 Nm) auftürmen, die Passagiere durch einen beispiellosen Voransturm der Leistungssensationen gegen die aufrechte Penthouse-Verglasung erschauern lassen, bis sogar der Burmester-Sound kurzfristig zu verstummen scheint.


2018 Mercedes AMG G 63

 

2018 Mercedes AMG G 63


 

Nichts brüllt so waidwund böse wie ein V8, in gewisser Resonanz macht man sich Sorgen um die Herzschrittmacher. Revierbesitzer aufgepasst: Auf der Fahrt zum Hochstand bitte Soundtaste ausschalten. Der Innenraum ist eine Wunderwelt verheißungsvollen Reichtums. Zu Hause nicht besser gewohnt. Allein dieses grobporige Mahagoni in gebürsteter Edelstahl-Leiste macht alles klar. Gesteppte Ledernähte, kluge indirekte Lichtsetzungen in Türgriffen, Fußräumen, Türschwellen, meisterhafte Detailverarbeitung erzeugen das, was man heute Luxus-Ambiente nennt samt IWC-Borduhr.

Ein Bravo den Luftdüsen! Wie erstklassig das alles ist, zeigt sich erst dann wirklich, wenn die Epigonen kopieren. Denn hier ist der Luxus Selbstverständlichkeit. Großer Wurf: Das Siebzig-Zentimeter- Doppel-Display in der durchgehenden Horizontale, die dann vom Vertrauen erweckenden Haltegriff weitergeführt wird. Radikalität auch hier drin spürbar: Die elektrisch gegen Fliehkräfte gesteuerten Oberkörper-Zwingen drücken sehr energisch zu. Und wenn man die weiße Fahrbahnlinie schneiden möchte, prellt und bremst der Spurhalter, als hätte man einen Randstein gestreift. Auch die Pre-Safe-Warnung erschreckt mehr, als sie nützt.

Übrigens: Die klare Absage an Touchscreens ist erhebend, der Dreh-Controller samt Krakel-Pad bleibt erste Wahl. Und sonst? Verbrauch um die siebzehn Liter, Kaufpreis jenseits ziviler Vorstellungen, aber sobald man hundertprozentig steigend in dieser geschützten Milliosphäre wohnt, war es jeden Cent wert. Ist ja schließlich ein Langzeitauto.


2018 Mercedes AMG G parts

 

2018 Mercedes AMG G parts


SHORTCUT
Was wir mögen
Grundsätzlich: Besser drin sitzen als daneben stehen. Somit wäre alles geregelt.

Was uns fehlt
Der perfekte Einstiegs-Schritt. Ist man zu schwungvoll, haut man sich am Lenkrad an. Zu gemächlich:

Wirkt mühsam.
Was uns überrascht Touchscreen als würdelos erkannt und verbannt.

Perfekt, wenn …
… man sich nie mehr vor dem

Leben fürchten möchte.
Die Konkurrenz Hat sich am Fuße des Schöckl eingegraben.

DATEN Mercedes-AMG G 63

Preis € 230.182,39 (NoVA 32 %)
Basispreis €196.180,– (NoVA 23 %)
Steuer jährlich € 3.530,76
Motor, Antrieb V8-Biturbo-Benzin
(3982 ccm), Allradantrieb mit Untersetzung und drei Diff.-Sperren
(100-%-Lamellenkupplung Mitte).
AMG Speedshift TCT 9-Gang-Sportgetriebe.
Leistung/Drehmoment 430 kW
(585 PS)/6000/min, 850 Nm/2500–3500/min .
Fahrleistungen 0–100 km/h 4,5 sec,
Spitze 220 (240) km/h, Normverbrauch/
CO2 kombiniert 13,1-13,6
l/100 km/299–310 g/km. Emissionsklasse 6d-TEMP, Testverbrauch 17,3 l/100 km.
Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4825/1931/1969 mm, Tank 100 l, Kofferraum487 l. Räder 285/45 R 21.
Wendekreis 13,4 m.
Gewichte Leergewicht 2560 kg,
Zuladung 640 kg, Anhängelast 750/3500 kg.
Ausstattung AMG Hochleistungs-
Bremsanlage, AMG Performance-
Abgasanlage schaltbar, AMG 20 Zoll,
Heckleuchten LED-Technik, LEDHigh
Performance-Scheinwerfer,
etc. Innen: AMG Performance Aluminium-
Schaltpaddles, Analoguhr im
IWC-Design, Offroad-Bildschirm,
3 Klimazonen und 3 Klimastile,
Ambientebeleuchtung in 8 Farben.
Extras Park-Paket mit 360-Grad-Kamera € 2.075,–, Aktiv-Sitzpaket € 3.175,–, Night-Paket € 3.110,–, Widescreen-
Cockpit € 885,–, Burmester
Sound € 1.355,–. Beleuchtung mit 64 Farben/19 Farbwelten € 415,–.

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