Bei den Raketen geht der Trend zu den stärkeren Sachen. Was für Silvester gilt, gilt auch für Kompaktsportler. Und so verteilten sich jüngst im Weinviertel 1448 PS auf fünf Autos.
HOLY SHIT!
Honda Civic Hyundai i30 Peugeot 308 Renault Mégane Seat Leon
Das originellste Navi hat auf jeden Fall der Seat. Als ich Richtung Heugraben hinauffuhr, ein enges Tal 15 Kilometer südlich von St. Pölten, düster umstanden von weitläufigem Hochwald, überquerte ich auf dem Navibildschirm die Donau bei Aggstein. Ob tief am Grund oder auf der Wasseroberfläche, war nicht zu erkennen. Ein schönes Detail, aber um Navis geht’s hier zum Glück nicht.
Es geht um eine ernstere Sache, die da ist: so richtig Spaß haben mit Autos, die zum Teil unschuldig wirken, ohne es zu sein. Also zogen wir die gewundenen Straßen durch Wälder und Felder rund ums weinviertlerische Großmugl als Spielwiese heran, und an dieser Stelle darf ich die ortsansässige Bevölkerung nachträglich um Nachsicht bitten. Lärmbelästigung war noch das Geringste. Die Kompakten erleben eine kleine Renaissance. Zu dieser gehört auch die hedonistische Schule, und zwar nicht im Sinne von Lack und Leder, sondern von böse. Fünf Vertreter dieser Schule haben wir hier versammelt, denn sie sind alle mehr oder weniger frisch am Markt.
Da ist gleich einmal eine arge Entwicklung festzustellen. Ein kompaktes Auto von heute muss mindestens 250 PS haben, um in der sportlichen Liga mitfahren zu dürfen. Über 300 sind noch besser. Das ist natürlich bedenklich. Andererseits: Preise von 35.000 Euro aufwärts und sogar deutlich darüber sind eine Hürde für das unreife Publikum. Ein bissel Unreife ist freilich die Voraussetzung, um zum Beispiel eine i30Zimmerflak mit 275 PS genießen zu können.
„Mir gefällt der Hyundai am besten. Sehr agil und straff.“
Man muss auch Freude am Krachmachen haben, nicht an der destruktiven und sinnlosen Art von Silvester, sondern … nun ja. Apropos Lärm: Hier darf nicht verschwiegen werden, dass der Peugeot 308 GTi seinen Motorsound per Lautsprecher ins Auto hinein überträgt. Wie viel davon echter Motorsound ist, lässt sich nicht sagen. Immerhin klingt es echt. Aber das sind Auswüchse virtueller Nassträume in einer schon aus Budgetgründen eher realen Welt.
Abgesehen davon: Wirklich peinlich ist die Einstiegshilfe im Hyundai i30 N. Da fährt der Sitz beim Einsteigen von selber zurück. Unsere fünf Kompaktsportler sind sonst ehrliche Typen, soweit man als Auto heute überhaupt noch ehrlich sein kann. Was sie nicht sind: Kumpeltypen. Ein vergleichsweise kleines Auto mit 300 PS ist nie dein Kumpel. Es ist eine Herausforderung auf jedem Meter. Wenn nicht dein Gegner.
„Für den sportlichen Anspruch ist der Civic das Beste hier.“
AM LEBEN BLEIBEN IST LUSTIG
Nehmen wir in diesem Zusammenhang den Peugeot. In ihm, sagte ein Mitglied der Testcrew, hat man das Gefühl, jederzeit abfliegen zu können. Das hatten wir in diesem Test zwar bei jedem Auto, aber der Peugeot versetzt der Sache einen Extrakick. Und zwar einen guten. In meinen OntimeTonaufzeichnungen fallen die Worte „mördercoole Hütte“.
Das ist, weil er den Fahrer ein paar Aufgaben lösen lässt: Spurhalten, Kurve schaffen (das Fahrwerk wurde wabbelig, aber eh nicht weich genannt), dabei lange Schaltwege überwinden. Ständig ist man damit beschäftigt, am Leben zu bleiben, während man es gleichzeitig aus vollem Hals riskiert. So ein Spaß! Das kleine Lenkrad? Stört nicht so, wie man dachte. In der Formel 1 haben sie auch kleine Lenkräder, sagte einer.
Aber beim Rallyefahren haben sie große, sagte ein anderer. Wurscht. Gegenwelt zum Peugeot: der Seat. Der ist so gut, dass er bei einigen nicht gut wegkam. Es waren die, die sich an einem Auto gerne reiben. Es waren auch die, die zu Hause Oldtimer haben und sich freuen, wenn sie mit ihrer Bullykiste im Finsteren bei strömendem Regen liegenbleiben. Wegen Kabelbrand zum Beispiel. Ich habe keinen Oldtimer, und ich mochte den Seat. Mit ihm kann man überaus schnell sein, man schaut auf den Tacho und wundert sich: so schnell und gar kein Drama. Am Ende gewinnen nämlich die Schnellen, nicht die, die Drama machen.
„Wenn schon, denn schon: Für mich geht nur der Honda.“
Einer sagte: Der Seat ist humorlos. Ich finde es hingegen entspannend, dass er beim Fahren keine Witze erzählt. Er hat eine tolle Motorcharakteristik und ein Fahrwerk, das seinen Job mit trockener Konsequenz verrichtet. Die Schaltung flutscht gleich wie in einem Leon TDI, aber sie ist ja dort schon keine Schande. Der Seat ist das Auto für jene, die Freude an einem gut funktionierenden Uhrwerk haben. Eines greift ins Andere, und immer stimmt die Zeit.
Außerdem Freude an der besten Farbkombination überhaupt, mattes Grau und Kupfer. Leider ist er in dieser Form ein Sondermodell, limitiert auf 799 Stück, in Österreich waren bei Redaktionsschluss noch fünf zu haben. Karbon ist auch dabei, wobei man sagen muss, die Türverkleidung aus einer Art Seide in Karbonoptik hätte man vielleicht weglassen können. Der Seat ist also das Auto, mit dem ein Mensch ohne Rennfahrerausbildung schneller sein kann als mit den anderen Autos hier.
Der wahre Sportler aber in dieser Auswahl, Sie ahnen es schon, ist der Honda. Wenn wir eine technische Gemeinsamkeit über die fünf Kandidaten ziehen, dann ist es der eher hubraumkleine, aufgeladene Motor. Den Turboschub aus den Zeiten eines Coupé-Fiat gibt es in der Form nicht mehr, aber doch bemängeln Saugpuristen nach wie vor die unausgewogene Drehmomententwicklung. Das ist jetzt natürlich eher was für Feinschmecker mit sensiblem Gaumen. Der Alltagsbolzer kann so was kaum merken.
Das hinten Schwarze beim Peugeot ist nicht reparaturbedingt, sondern gehört so. Es dient auch der Verwirrung des Gegners. Die Sitze wiederum sind eine gelungene Synthese aus Sport und Gemütlichkeit. Wir lieben so was.
ES WIRD KRIEG GEBEN
Außer vielleicht beim Honda Civic Type R GT. Der sieht von hinten ein bisschen aus wie eine Kriegserklärung – eine nachträgliche, sozusagen, weil überholt wurde der Feind ja schon, wenn er sie liest. Sensiblere Gemüter werden sich mit diesem Auto eher am Land aufhalten, dort weiß man solches Styling vorbehaltlos und unblasiert zu schätzen. Wie es Tradition bei Honda hat, geht es um Drehzahl. Näher am Sauger dran ist keiner: Man lässt die Drehzahlnadel steigen, und vor allem darauf stützt sich die Leistungsentwicklung.
Es ist, wie es sein soll: am einen Ende der Mensch bzw. dessen rechter Fuß, am anderen Ende die Maschine. Dazwischen eine ganz gerade, kurze Linie. In gewisser Weise steht auf der einen Seite einer Grenze der Civic, auf der anderen die anderen Autos dieses Tests. Die hängen am Turbolader: Der bläst ein, und es passiert was. Das ist auch beim Honda so, aber auf seltsame Weise nicht zu spüren. Beim Runterschalten – anbetungswürdiger Aluknauf am Schaltknüppel, übrigens – gibt er selber Zwischengas. Ein netter Gag. Und beim Gasgeben reißt er brav an der Vorderrädern.
Das ist bei dieser Leistung nicht zu verhindern, auch die anderen Autos hier tun es. Und man will es wohl auch nicht verhindern. Ohne das wären diese Autos wie Erdwespen ohne Giftstachel. Der Hyundai i30 N ist ein Giftstachel als Ganzer. Er rupft vorne noch mehr als der Honda. Superbissig auch die Bremsen. Und er hat etwas, was alle anderen nicht haben: eine richtige Handbremse zum Anreißen. Ja eh, sicher benützt man so was! Die Schaltung überzeugt mit kurzen Schaltwegen und stellt Ansprüche mit ihrer relativen Schwergängigkeit. Insgesamt war der Hyundai die Überraschung des Tages.
Zwischen normalem und dem N-Modus liegen Welten, und in Letzterem ist das ein ernsthaftes Radaugerät, nicht nur akustisch, da aber auch. Liegt hart am Asphalt, wird sehr schnell, aber es lässt sich gut mit ihm arbeiten. Scharf im Antrunk, knochentrocken in der Kurve, gut unterwegs auch bei hohem Tempo. Und er ist wandelbar. Im Normalmodus ist das schon fast ein ganz normaler, wenn auch sehr starker Hyundai i30, und da stört es dann auch nicht,dass man vergleichsweise hochbeinig unterwegs ist. Das Auto ist nur geringfügig höher als die meisten anderen hier, aber gefühlt ist es irgendwie mehr. Vermutlich sind’s auch die Sitze.
„Ich hasse Drama. Ich mag den Seat. Der Preis ist aber zu arg.“
WENDIG WIE EIN FUSSGÄNGER
Noch mehr spürt man das Gewicht, von dem hier am meisten vorhanden ist. Rund 100 Kilo mehr als im Schnitt, und wenn auch nur an wenigen davon der Komforteinstieg schuld ist, dann hätten wir schon was, das rausfliegen kann. Selbst der Megane RS ist leichter als der i30, was Wunder nimmt, denn der Renault spielt hier den Staatsmann. Was Farbe und Lärm betrifft, geht das in Richtung Trump, sonst eh nicht.
Der Lärm ist grandios, der Megane klingt als einziger hier fast wie ein Rennwagen. Er knallt auch ausnehmend schön beim Gangwechsel. Und ist auch sonst besonders, denn er hat Doppelkupplungsgetriebe und Allradlenkung. Beides macht großen Unterschied. Bei den vielen Tempowechseln im hier so kurvenreichen Weinviertel ist es recht entspannend, nicht dauernd mit der rechten Hand am Schalter rühren zu müssen. Das verlockt dann gleich zum Automatikmodus, zumal die Paddles ziemlich klein sind und sich nicht mit dem Lenkrad mitdrehen.
Die Allradlenkung ist auf jeden Fall ein sehr starkes Alleinstellungsmerkmal: Sie macht das Auto extrem agil, aber deswegen auch gewöhnungsbedürftig. Auf Anhieb den Scheitelpunkt der Kurve zu treffen, ist eher schwer. Die Lenkung wirkt ein bisschen synthetisch, auch ist es eigen, wie drangvoll sie immer wieder in die Mittellage zurückstrebt. Aber ist man einmal drin im Fahren, genießt man es: Wendigkeit mit dem Auto ist ja ein schönes Gefühl. Wer die Schärfe der früheren RS-Modelle erwartet, wird eher enttäuscht sein, entsprechend ist der Renault auch ziemlich bequem.
Aber in diesem Kontext hier: ein eigenwilliger, aber auch starker Player. Trotz des generell einheitlichen technischen Konzepts – Frontantrieb, mit einer Ausnahme Handschalter, kleiner Turbobenziner, Leistung um die 300 PS, und alle basieren sie auf Autos, die, um das so auszudrücken, wenig Hysterie auslösen –, trotz dieser Gemeinsamkeiten also sind unsere fünf Kandidaten in der Anwendung dann doch sehr unterschiedlich.
Zu sagen, dieser oder jener ist besser, ist daher unmöglich. Wir weisen lieber zu: Der Honda ist für den, der’s ernst meint. Ganz ernst. Der Hyundai ist für den, der’s auch ernst meint, aber lieber in Deckung bleibt. Der Renault ist für den, der mit den Ohren fährt, und das manchmal auch weit. Der Seat ist für den, der lieber sein Auto als seinen Puls beschleunigt. Und der Peugeot ist für den, der’s umgekehrt mag. Alle zusammen sind natürlich auch für die. Theoretisch.
„Überraschungsangriff mit dem dezenten Peugeot: Das ist mein Ding.“
DATEN Honda Civic Type R GT
Preis € 46.690,– Steuer jährlich € 1.783,44 Motor, Antrieb 4-Zyl.-Turbobenziner, 1996 ccm, 6-Gang-Schaltung, Frontantrieb. Leistung/Drehmoment 235 kW (320 PS)/ 6500/min, 400 Nm/2500–45000/min. Fahrleistungen 0–100 km/h 5,7 sec, Spitze 272 km/h, Normverbrauch/CO2 9,8/6,5/7,7 l/100 km/176 g/km. Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4557/1877/ 1434 mm, Radstand 2699 mm, Tank 46 l, Kofferraumvolumen 420–1209 l. Gewichte Leergew. 1380 kg, Zuladung 380 kg. Ausstattung Adaptives Dämpfersystem, Navigation, Sportsitze, Pedale und Schaltknopf aus Alu, Rückfahrkamera, 20”-LM-Felgen, automatische Drehzahlanpassung beim Schalten etc. Extras Metallic/Pearl/Premium-Lack € 545,–.
DATEN Hyundai i30 N Performance
Preis € 38.990,– Steuer jährlich € 1.486,44 Motor, Antrieb 4-Zyl.-Turbobenziner, 1998 ccm, 6-Gang-Schaltung, Frontantrieb. Leistung/Drehmoment 202 kW (275 PS)/ 6000/min, 353 Nm/1450–4700/min. Fahrleistungen 0–100 km/h 6,1 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch/CO2 9,7/5,7/7,1 l/100 km/163 g/km. Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4335/1795/ 1447 mm, Radstand 2650 mm, Tank 50 l, Kofferraumvolumen 381–1287 l. Gewichte Leergew. 1509 kg, Zuladung 441 kg. Ausstattung Elektronisch geregelte Diff.-Sperre, N-Performance-Bremsen (345 mm Durchmesser v.), zweiflutige Abgasanlage mit variabler Klappensteuerung, 19”-LM-Räder, Navigation, Tempomat, LED-Schein werfer, Sitzheizung v., Einparkhilfe v./h. etc. Extras N-Sonderlackierung € 350,–, Metallic/ Pearl-Lackierung € 550,–, Panorama-Glas-/ – Hubdach € 1.200,–.
„Ich steh auf den Megane. Angenehm zu fahren, nicht zu weich, aber gut.“
DATEN Renault Mégane R.S. 280
Preis € 37.890,– Steuer jährlich € 1.513,44 Motor, Antrieb 4-Zyl.-Turbobenziner, 1798 ccm, 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb. Leistung/Drehmoment 205 kW (280 PS)/ 6000/min, 390 Nm/2400/min. Fahrleistungen 0–100 km/h 5,8 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch/CO2 6,9 l/100 km/155 g/km. Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4364/1875/ 1428 mm, Radstand 2669 mm, Tank 47 l, Kofferraumvolumen 294 l. Gewichte Leergew. 1430 kg, Zuladung 500 kg. Ausstattung Sportfahrwerk mit Allradlenkung, Lederlenkrad mit Referenzpunkt, Schalensitze, Schaltwippen, Launch Control etc. Extras Zweistoff-Bremsscheiben € 1.463,–, Cup-Paket (Cup-Fahrwerk, rote Bremssättel) € 2.261,–, R.S. Monitor € 333,–, Navi € 1.250,–, Rückfahrkamera € 466,– etc.
DATEN Seat Leon Cupra R 310 TSI
Preis € 49.690,– Steuer jährlich € 2.314.44 Motor, Antrieb 4-Zyl.-Turbobenziner, 1984 ccm, 6-Gang-Schaltung, Frontantrieb. Leistung/Drehmoment 228 kW (310 PS)/ 5800-6500/min, 380 Nm/1800–5700/min. Fahrleistungen 0–100 km/h 5,8 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch/CO2 9,9/5,8/7,3 l/100 km/170 g/km. Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4281/1816/ 1444 mm, Radstand 2631 mm, Tank 50 l, Kofferraumvolumen 380–1210 l. Gewichte Leergew. 1453 kg, Zuladung 477 kg. Ausstattung Sportsitze, Infotainmentsystem mit Touchscreen, Alupedale etc. Extras Sonderlackierung € 3.450,–.
DATEN Peugeot 308 GTi
Preis € 39.950,– Steuer jährlich € 1.405,44 Motor, Antrieb 4-Zyl.-Turbobenziner, 1598 ccm, 6-Gang-Schaltung, Frontantrieb. Leistung/Drehmoment 193 kW (263 PS)/ 6000/min, 340 Nm/2100/min. Fahrleistungen 0–100 km/h 6,0 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch/CO2 8,5/5,3/6,5 l/100 km/148 g/km. Dimensionen 5 Sitze, L/B/H 4253/1804/ 1447 mm, Radstand 2620 mm, Tank 53 l, Kofferraumvolumen 420–1228 l. Gewichte Leergew. 1390 kg, Zuladung 400 kg. Ausstattung Torsen-Sperrd., rote Vierkolben- Bremssättel, Sportfahrwerk, Touchscreen Redline-Design, Sportsitzbezug Kunstleder/Alcantara, 19”-LM-Räder, „verstärktes Motorengeräusch“, Navigation, LED-Scheinwerfer etc. Extras Rückfahrkamera € 330,–, Metallic-Lack € 594,–, Panoramaglasdach € 700,–, beheizbare Vordersitze € 297,– etc.