Er ist wohl so etwas wie ein überzeugungstäter: norbert mattern (62) aus münster, apotheker im ruhestand. Als einer der ganz wenigen privatleute in deutschland fährt er ein fahrzeug mit brennstoffzelle, genauer gesagt einen hyundai ix35 fuel cell.
NORBERT MATTERN BRENNT FÜR WASSERSTOFF
Norbert Mattern tankt Wasserstof an der einzigen tankstelle im umkreis von 100 Kilometern: An der Westfalen-Station in münster-Amelsbüren.
Was er daür bezahlt hat, weiß Matern gar nicht genau, es interessiert ihn auch nicht wirklich. „Irgendwas um 50.000 Euro“, erinnert sich der Münsteraner im Gespräch mit Arrive. Ist ja schon rund eineinhalb Jahre her, dass er sich von seinem Mercedes E280 verabschiedet hat und voll auf den Antrieb mit Wasserstof – kurz H₂ – setzt. „Die Frage nach dem Preis kommt immer als erste“, weiß Matern. Wenn dann sein Gegenüber angesichts der 5 oder 6 als erste Zifer ür den SUV die Nase rümpt, kommt gleich seine Gegenfrage: „Können oder wollen Sie sich das nicht leisten.“
Und schon sei man miten in der Diskussion, wie viel und welches Auto ein Mensch wirklich braucht. 50.000 bis 60.000 Euro sind heute ür einen konventionellen PKW mit Verbrennungsmotor nun wirklich keine preislichen Ausreißer mehr. Da gerät mancher ins Grübeln. Ist es Leidenschat oder Ökospleen? Diese Frage stellt sich Norbert Matern selber, und das nicht erst seit gestern. Mit 15 iel ihm in der Stadtbücherei ein Buch in die Hände, das die Wasserstotechnologie als umweltfreundliche Alternative zu Benzin thematisierte. Lange schon waren die ersten H₂-Autos als Prototypen unterwegs, aber eben mehr nicht. Mercedes zum Beispiel testete ab 1994 lange den NeCar (New Electric Car oder auch No Emission Car), BMW fuhr mit einer kleinen Flote von Wasserstof-Fahrzeugen auf Basis des 750i, die unter anderem bei der Expo 2000 in Hannover zum Einsatz kamen.
Bei BMW wurde allerdings ein Verbrennungsmotor mit H₂ betrieben und nicht eine Brennstofzelle zur Stromerzeugung genutzt. Dann tat sich über viele Jahre nichts. „Der Hyundai war der erste, der öfentlich angeboten wurde“, berichtet Matern. Und konsequenterweise hat er zugegrifen. Auf seiner eigenen Internetseite w.norbertmatern.de wird der 62-Jährige selbstironisch: „Wer, wenn nicht ich, soll den Anfang machen? Ich habe das Geld ja, und woür – wenn nicht ür neue und saubere Technologien und Umwelt – soll ich’s denn sonst ausgeben?“
Sein „Hobby“ ist, andere ür Wasserstof zu begeistern – und das macht der Münsteraner sehr gut. „Man kann den Leuten nicht mit Ideologie kommen“, ist seine Erfahrung. Die Frage „wie viel ist mir die Umwelt wert“, laufe ot ins Leere. Und immer wieder dreht es sich um Kosten. Für Norbert Matern unverständlich, „wenn ich mir die Zulassungszahlen in der oberklasse ansehe“. Auch bei den Herstellern herrsche Zurückhaltung. Gleich mehrfach bekam das der rührige Apotheker auf der jüngsten Hannover Messe zu hören: „Wir setzen auf Elektro. Wasserstof ist uninteressant.“
Von außen von einem konventionellen Benziner- oder DieselFahrzeug nicht zu unterscheiden: der ix35.
Das hält den Münsteraner aber nicht davon ab, weiter als Botschater in Sachen Brennstofzelle unterwegs zu sein. Matern ist Mitbegründer der H₂-Freunde. Laut eigenem Flyer „eine Ansammlung von Menschen, die sich ür Wasserstof-Technologien interessieren.“ Gemeinsam mit dem Energieinstitut an der Westälischen Hochschule Gelsenkirchen mit seinem Kompetenzzentrum ür Brennstofzellen bieten die H₂-Freunde Workshops an. Teilnehmen kann jeder, nur Interesse und ein paar Grundkenntnisse in Chemie und Physik sollten vorhanden sein.
MIT WASSERSTOFF IN DEN URLAUB?
Knapp 16.000 Kilometer hat der 62-jährige in eineinhalb Jahren mit dem ix35 Fuel Cell zurückgelegt. „Ich bin 100-prozentig zufrieden. Das ist das Beste, war mir je passieren konnte“, gerät er örmlich ins Schwärmen. Das Auto sei ein vollwertiger Ersatz ür alles, was er vorher gefahren ist. Nicht die ganzen 16.000 Kilometer gehen auf sein Konto. „Meine Frau nörgelt nicht, sie will nur noch H₂ fahren.“ Zudem bietet Matern jedem Interessierten bereitwillig eine Probefahrt an.
Und so drehen wir auch eine kleine Runde um die Westfalen-Tankstelle in Münsters Sü den, die quasi der Heimathafen ür den ix35 Fuel Cell ist. Stimmt, es fehlt einem an nichts. Die Beschleunigung ist trotz nicht gerade üppiger 136 PS wie bei bateriegetriebenen Elektroautos beeindruckend, denn es liegt ja sofort das volle Drehmoment an. Und dann diese Ruhe!
„E-Auto fahren macht Spaß, laden hingegen weniger.“
Doch wie sieht es mit der Tankerei aus? „Würden Sie sich trauen, mit dem Auto in den Urlaub – sagen wir mal nach Bayern – zu fahren?“, fragen wir Norbert Matern. Nun, dass muss er nicht, schließlich hat er ein Hymer-Wohnmobil. Aber auch ohne die Wohnung auf Rädern sieht er kein Problem. Bundesweit gebe es aktuell über 40 H₂-Tankstellen, berichtet Nikolas Iwan, Geschätsührer der H₂Mobility Deutschland GmbH & Co. KG. Bis zum Jahresende 2019 sollen es schon 100 sein.
Angepeilt sind mitelfristig 400 bis 2023. Der Fachmann kennt dabei auch die Vorzüge gegenüber der Elektromobilität: „E-Auto fahren macht wirklich Spaß, laden hingegen weniger. Wasserstof ist da die Lösung: Elektromobile Beschleunigung, bei 3 Minuten tanken und Reichweiten von bis zu 800 Kilometer. Wir freuen uns über immer mehr Wasserstof-Pioniere, die unser schnell wachsendes Tankstellennetz nutzen. Wer will kann das Wachstum des Netzes über unsere aktuelle App H2.LIVE mitverfolgen.“ An den Hauptachsen sind im Abstand von 100 Kilometern H₂-Tankstellen, ergänzt Matern. Na ja so ganz passt das mit den 100 Kilometern nicht – ist ja schließlich ein Durchschnitswert.
In Richtung Süden kann Matern bereits in Kamen (45 Kilometer) Wasserstof nachfassen, nach Norden kommt erst in Höhe des Bremer Kreuzes (186 Kilometer) die erste Gelegenheit. Im Internet-Preisportal clever-tanken.de wa ren übrigens beide Stationen Ende Juni noch nicht gelistet. Doch Matern nutzt die alte App der Wasserstof-Initiative Clean Energy Partnership (CEP), die sogar anzeigt, ob eine Tankstelle betriebsbereit ist oder wegen einer Störung oder Wartung nicht angefahren werden sollte.
Tauglich für jedes Gelände: Der Hyundai ix35.
MOBILE TANKSTATION FÜR DEN NOTFALL
Mit einer Reichweite von 500 Kilometern könnte er es locker bis an die dänische Grenze schafen. Doch tanken müsse er ja irgendwann sowieso und der Sprit koste überall das Gleiche. Daher würde er die Tankstelle in Bremen nicht links liegen lassen. Entsprechend hat der Münsteraner noch nie Probleme bekommen. Er weiß aber von einem anderen ix35-Fahrer, dass dieser tatsächlich mal den mit Kohlefasern verstärkten Stahltank unter dem Koferraum leergefahren hat.
Da zeigte sich dann, was eine wirkliche Mobilitätsgarantie wert ist. Hyundai schicke nicht etwa einen Abschleppwagen, sondern rückte mit einer mobilen Tankstation an. Chapeau! 95 Cent zeigt der Preismast ür Wasserstof an Westfalen-Tankstelle in Münster an. Doch der Preis bezieht sich auf 100 Gramm. H₂ ist nun mal extrem leicht und die Kiloangabe mit 950 Cent würde dann doch stark irritieren, denn es wäre ja der höchste Preis aller Kratstofe. Doch egal was am Preismast steht – abgerechnet wird am Schluss. Das sieht dann wieder gut aus. Der Tank des ix35 Fuel Cell fasst oiziell
Die wörter Fuel cell verweisen auf Wasserstof als Kraftstof. 5,64 Kilogramm Wasserstof bei 700 bar.
Angegeben ist der Verbrauch mit 1 Kilogramm/100 Kilometer. „Realistisch sind 1,1 Kilogramm, im Winter sind’s 5 % mehr“, so die Erfahrung von Norbert Matern, der akribisch jeden Tankvorgang in einem kleinen Notizbuch vermerkt. Im Schnit tankt er rund 4 Kilogramm – macht also 38 Euro oder 10,45 Euro/100 km. Das Ganze dauert – anders als bei bateriegespeisten Elektroautos – nicht länger als der Tankvorgang bei konventionellen PKW mit Verbrennungsmotor.
BISTUM MÜNSTER ERWIRBT H₂-FAHRZEUG
Bleibt da noch das mulmige Geühl bei Gasautos. Norbert Matern winkt ab. „Ich habe als Apotheker viel mit Chemie zu tun, ich mache mir da keine Sorgen.“ Es habe Versuche mit Tankbeschuss gegeben. Wenn es doch mal eine undichte Stelle geben sollte, so verlüchtigt sich der Wasserstof sehr schnell oder brennt schlimmstenfalls einfach ab, aber es explodiert nichts. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Tank ein zündähiges Gemisch entstehe, sei extrem klein, denn bei einem Überdruck von 700 bar könne Lut oder Sauerstof gar nicht in den Tank hineinkommen, weil der austretende Wasserstof das gar nicht zulässt.
Ein zündähiges Benzin-Lut-Gemisch würde ihm mehr Sorgen bereiten. So ganz langsam kommt Wasserstof als Kratstof in Fahrt. Bei Hyundai soll bald der Nexo als Nachfol
ger des ix35 Fuel Cell an den Start gehen. Mercedes Benz folgt im Herbst mit dem GLC F-Cell, der aber nur gemietet, jedoch nicht gekaut oder geleast werden kann. Toyota hat den Mirai, Renault den Kangoo. „Das Bistum Münster hat auch ein Fahrzeug angeschat“, weiß Westfalen-Gruppe-Pressesprecher Helge Wego. Und der Fahrservice „CleverShutle“ (Berlin) hat mit einem Bestand von 75 Fahrzeugen die größte H₂-Flote der Welt.
Bei der Westfalen-Tankstelle in Münster stieg die Nutzung von zwölf Tankungen mit rund 40 Kilogramm Wasserstof im Januar 2017 auf 40 Tankvorgänge mit insgesamt 100 Kilogramm H₂ im Januar 2018. „Ab oktober sollen hier zwei Busse der Stadtwerke Münster regelmäßig Wasserstof tanken“, kündigt Wego an. Norbert Matern nimmt’s zufrieden zur Kenntnis. So ganz falsch kann sein „Hobby“ demnach nicht sein.