1965 Volkswagen Käfer

2018 Jens Tanz & Drive-My

Er ballert und schüttelt sich, nimmt gierig das Gas an und ist am Ende des Tages vor allem ein … Alltagsauto. Der VW von Michael Abele ist seit seinem 19. Lebensjahr im täglichen Einsatz und alles andere als „käferig“. Er verdreht den Stuttgartern die Köpfe und die Ohren – genau so wars auch immer geplant! Also zieht euch warm an, ihr Dickholmer und wattepolierten Export-Ovalis. Das Teil hier kann Asphalt fressen!


Donnerkeil Luftboxer


1965 VW Käfer

 

1965 VW Käfer


Irgendwas ballert laut durch die Stuttgarter Innenstadt. Ein Käfer? Als das Ding mit viel Phon um die Ecke gesprungen kommt, wird vordergründig klar, dass es tatsächlich ein Käfer ist. Aber eben nicht irgendein Herbie oder Dudu, sondern eine optisch nicht sonderlich gepfl egte Alltagskarre im Cal-Look. Laut. Heiß. Vorne tief und hinten hoch, irgendwie passen auch die Reifengrößen nicht ganz in das Studentenkarren-Bild im Kopf. Und was hinten aus zwei grob verschweißten Auspufftöpfen rausdonnert, erzählt davon, dass auch unter der kleinen, halb offenen Haube nicht mehr die originalen 40 PS werkeln. „What the fuck …?“

Das Auto nur nach dem Klang kaufen

Durch die kleine Tür klettert Michael Abele aus dem cremefarbenen Krabbler und wirft sie mit einem blechernen *KLONK* hinter sich zu. Der 32-jährige Social-Media-Manager aus Stuttgart winkt den etwas verwirrt guckenden Passanten auf dem Platz selbstbewusst zu, zieht die Lederjacke zurecht und bietet mir und meiner 17-jährigen Tochter einen Ride durch die abgasbelastete Stadt am Neckar an. DAS Auto. Und wer angesichts der 7-Liter-Big-Blocks über den kompakten Bug lächelt, der ist noch nicht mitgefahren.

Er war immer schon ein Bastel-Wastel, hat erst mit LEGO die irrwitzigsten Konstruktionen ersonnen und später seine Computer selbst gebaut und „gemoddet“, was das Zeug hält. Übertakten, ausreizen, optimieren. Zum 18. Geburtstag sollte es dann ein Auto werden, Vati hatte so seine Vorstellungen für den Sohnemann. Am liebsten einen braven Audi 100 mit 1,6-Liter-Maschine. Aber Michael wollte Sound. Klang. Akustik. Genau genommen musste es ein V8 werden, wenn die nur nicht so teuer wären.

Die damalige Nachbarin pilotierte täglich einen VW Käfer am Elternhaus vorbei, und irgendwie klang der zwar ganz anders … aber auch ganz geil. Dumpf, metallisch, zornig. Einen Käfer, er wollte einen Käfer! Das schmeckte Vati überhaupt nicht, aber als „erzieherische Maßnahme“ nahm er den Sohnemann zu einer einzigen Käferbesichtigung mit – in der Hoffnung, der Filius würde sich nach der Probefahrt dankbar für den geplanten Audi 100 entscheiden.

Denkste! Der 86er-Mexico-Käfer einer alten Dame mit erst 30.000 Kilometern auf dem kleinen Tacho fi xte Michael sofort an, er kam erst nach einer Stunde von der Probefahrt zurück und kaufte das Auto noch am selben Tag trotz Vaters heftigem Protest. Das war zwar kein V8, aber er klang trotzdem klasse und war vor allem bezahlbar. Eine Woche später warf er alle seine gemoddeten Computer in den Elektroschrottcontainer und bewaffnete sich stattdessen mit Schraubenschlüssel und Schweißgerät. Alleine in der Werkstatt. Abschalten. Das war die Hardware, die er brauchte.


1965 VW Käfer interior

 

1965 VW Käfer interior


1965 Vierzylinder Boxer 1.915 cm3 (117 cui) 78,3 kW (106,5 PS) bei 4.600/min 169 Nm bei 3.700/min Viergang-Schaltung 

Antrieb Hinterräder 4.070/1.540/1.460 mm 730 kg Viertelmeile in 17 Sekunden mit 120 km/h Vmax 175 km/h 

Wert: nicht ermittelbar

Kleineres Baujahr, größerer Motor

Nur ein Jahr später kamen die viel diskutierten Umweltzonen, und Michael konnte mit dem Käfer nicht mehr zur Schule fahren. Also musste der weg und was Älteres ran, aus der Zeit vor AU und so einem Gedöns. Dann kann man auch mehr am Motor machen. Während eines Praktikums bei der VW Speed in Karlsruhe tauchte er tiefer in die Szene ein und saß auf einem Tuningtreffen in Bitburg in einem heiß gemachten Drag-Käfer. Als bei dem Ding auf der Quartermile vorn die Räder hochgingen, war der Weg klar.

Michael kauft noch auf demselben Treffen mit 19 Jahren einen 65er Bug im Herbie-Look mit 40 PS, der vorn schon eine in der Höhe verstellbare Vorderachse drin hatte. Er zog die Aufkleber runter, setzte hinten eine zeitgenössische Bug-Pack-Dual-Muffl er-Tröte drunter und besorgte sich originale Felgen und Reifen von einem GF Buggy, dem legendären Beach Buggy von Bruce Meyers, der damals von Karmann in Kooperation mit der VW-Zeitschrift „Gute Fahrt“ aufgelegt wurde. Vorn 145/80 R15 und hinten 205/70 R15, alles zeitgenössisch, alles legal und alles heftig cool. Und das ist im weitesten Sinne das Auto, vor dem wir jetzt heute stehen.

In dieser Form fuhr Michael den Käfer im Alltag zwischen seiner Wohnung in Waldstätten und der Uni in Darmstadt. Alle seine Umzüge wurden mit dem VW gerockt. Im Winter blieben wegen der kaputten Heizung die Seitenfenster immer geöffnet, damit die Scheiben nicht zufrieren. Als er seine Oma einst chauffi erte, war die so dermaßen entsetzt von der Kälte in dem Auto, dass sie ihrem Enkel spontan 400 Euro für neue Heizbirnen in die Hand drückte. Aber die salzigen Straßen setzten dem Käfer zu, und einen dunklen Winter lang wurde das Häuschen abgehoben und der Unterboden geschweißt. Danach blieb der Wagen bei Schnee doch lieber in der Werkstatt stehen.

Während eines Praxissemesters im Studium ernährte der junge Mann sich nur von Knäckebrot und Wasser und steckte jeden übrigen Euro in die Überarbeitung des originalen Käfermotors. Schärfere Nocke, mehr Hubraum, größere Ventile, 40er-Weber-Vergaser vom Porsche 356 … Und in der Kombination mit den Reifen, dem Fahrwerk und dem Auspuff wurde der Bug langsam genau das, was Michael Abele immer haben wollte.


1965 VW Käfer

 

1965 VW Käfer


Geiler California-Look mit Brief und Siegel

Seit dieser Zeit schraubt und optimiert der Bastel-Wastel ständig an SEINEM Auto herum. Vor jeder Aktion hat sich Michael mit dem TÜV-Ingenieur abgesprochen, damit sämtliche Umbauten auch legal, zeitgenössisch und abgesegnet sind. Das Vorbild für den Volkswagen ist der „Cal Look“ aus den 60ern und 70ern, als im Orange County die jungen Wilden ihre preiswerten Käfer strippten, hinten hoch und vorne tief legten, breite originale Porsche- oder VW-Felgen draufschraubten und die Motoren aufbliesen.

Und da sieht der weltoffene TÜV-Prüfer das Ergebnis wie bei den Hot Rods: Wenn vergleichbare Teile auch damals zum Einsatz kamen, dann spricht nichts dagegen und es gibt auch das H-Kennzeichen. Guter Mann. Es folgen auf der Vorderachse Scheibenbremsen vom Golf III GTI und eine Getriebeabstützung mit Traverse. Das originale, extrem kurz übersetzte Käfergetriebe ist noch immer drin.

Das sollte eigentlich nur bleiben, bis es sich an dem kräftigen Motor von selbst zerlegt – das tut es aber einfach nicht, egal, wie viel Gummi der Stuttgarter auf den Asphalt radiert. Und das tut er gern. Heizung? Gibt es noch immer nicht (was hat er mit den 400 Euro von Oma gemacht?). Alltag? Na klar, immer noch. Reisen? Bedingt. Michael ist mal mit einem Kumpel und drei Surfboards auf dem Dach bis

“Immer wenn ich an der Tanke stehe und Benzin in ein anderes Auto als den Käfer laufen lasse … habe ich das Gefühl, ich werfe Geld raus. Weil ich nicht diese Gegenleistung bekomme!”

nach Biarritz gefahren. Danach waren beide fast taub, aber der Spaß war unbezahlbar. Und jetzt – alle einsteigen bitte. Töchterchen krabbelt auf den Rücksitz und hält das Smartphone für ihre Snaps bereit, wir zwei sitzen vorn. Unter dem nackten Armaturenbrett geben Instrumente Auskunft über Öldruck und Öltemperatur. Auch eine Lambda-Anzeige gibt es.

Nachdem einmal der dritte Zylinder nicht gezündet und das unverbrannte Benzin einen kapitalen Motorbrand verursacht hat, möchte Michael immer wissen, wie es dem Triebwerk da hinten geht. Ein riesiger Drehzahlmesser thront über allem, ein Shift-Light blitzt den Fahrer an, wenn er am T-Shifter reißen muss. Zum Draufgucken fehlt auf der Meile oder an der Ampel schon seit den 60ern die Zeit.


1965 VW Käfer

 

1965 VW Käfer


Das Auto im Alltag abfeiern

Die kleinen Kratzer und Dellen und auch der eine oder andere Brandfl eck sind die sichtbaren Narben des technisch perfekten Käfers. Michael will den, wenn er Rentner ist, vielleicht mal komplett restaurieren. Bis dahin wird der Wagen einfach nur gefahren, und das mit Herz und Seele. Wegen des originalen Getriebes reißt das Ding keine Höchstgeschwindigkeitsrekorde, ist auf den ersten 50 Metern aber wahnsinnig schnell weg!

Und das macht einen Riesenspaß. Während meine Tochter auf dem Rücksitz von links nach rechts fl iegt und lachend jeden Videoversuch versemmelt, kralle ich mich im einzigen Griff auf der Beifahrerseite fest und gucke respektvoll zu dem Mann rüber, der mit ein wenig verschmitztem Irrsinn im Blick die Gänge reindonnert und das kleine Volkswägelchen durch die Straßen drückt, als gäbe es für ihn keine Physik.

Ab und an blitzt das Shift-Light auf, und hinten schreit meine Tochter mit dem Motor um die Wette. Sie hatte sich ihre erste Fahrt in einem VW Käfer anscheinend anders vorgestellt. „Immer wenn ich an der Tanke stehe und Benzin in ein anderes Auto als den Käfer laufen lasse … habe ich das Gefühl, ich werfe Geld raus. Weil ich nicht diese Gegenleistung bekomme!“ Was soll man dem noch hinzufügen? Rock ’n’ Roll!

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