1953 Porsche 356

2018 Deniz Calagan, Toshiyuki Suzuki & Drive-My

Toshiyuki Suzuki ist mit seinem Porsche 356 von Japan bis Deutschland gefahren – um zum 70. Geburtstag der Marke zu gratulieren


Tokio – Zuffenhausen in 18 Tagen


1953 Porsche 356

 

Zufallsbegegnung in Gmünd: Porsche 356 trifft auf die „Nr. 1“


Natürlich klingt es verrückt, wenn dir jemand erzählt, er sei soeben von Japan über Südkorea und Russland bis nach Deutschland gefahren – und zwar in einem Porsche 356, Jahrgang 1953, einem sogenannten Pre A. Für Toshiyuki Suzuki hingegen war dieses Abenteuer die Erfüllung eines lang gehegten Traums: Der 62-jährige pensionierte Physiklehrer aus der Nähe von Tokio wollte pünktlich zum 70. Geburtstag von Porsche dem Firmensitz in Zuffenhausen einen Besuch abstatten, quasi Ehrensache, wenn man Präsident des japanischen 356-Clubs ist.

Da gehöre sich ein Geburtstagsbesuch im schwäbischen Stammsitz nun einmal, so der Porsche-Fan. Und für ihn gab es dann auch keinen Grund, diese Reise nicht mit seinem 356 anzutreten. Für die 15 000 Kilometer weite Fahrt habe er ursprünglich 30 Fahrtage geplant. Dass er bereits nach 18 Fahrtagen am Ziel war, habe ihn dann am Ende allerdings selber ein wenig überrascht, erklärt Suzuki. Und zugleich mit großem Stolz erfüllt. Mit ruhiger Stimme erzählt der Mann von seiner Reise, nur unterbrochen von einem Dolmetscher.

Wer Toshiyuki Suzuki reden hört, spürt sofort, dass hier kein draufgängerischer Abenteurer sitzt, sondern einer, der dieses Unternehmen akribisch vorbereitet hat. Nein, er wollte nichts dem Zufall überlassen und vorab möglichst alles einkalkulieren, was unterwegs passieren könnte: Toshiyuki Suzuki, der außer Japanisch keine weiteren Sprachen spricht, zeigt einen dicken Block, den er für die lange Etappe durch Russland vorbereitet hat. Auf jeder Seite Sätze in großen kyrillischen Buchstaben, darunter jeweils deren Bedeutung in japanischen Schriftzeichen: „Ich komme aus Japan.

Haben Sie ein Zimmer für eine Nacht und eine Garage für mein Auto?“ Oder: „Was haben Sie zu essen?“ Weil russische Polizisten in Japan nicht den besten Ruf genießen, war Suzuki auch in dieser Hinsicht auf alle Eventualitäten vorbereitet: „Ich bezahle nichts und werde sofort die japanische Botschaft in Moskau anrufen“, lautet eine seiner vorverfassten Antworten für den Fall einer Begegnung mit korrupten Beamten irgendwo in der Weite Sibiriens. Zweimal habe er diese Seite zeigen müssen, und beide Male haben die Polizisten von ihren willkürlichen Forderungen abgelassen und ihn fahren lassen. Suzukis Augen funkeln schelmisch angesichts des Erfolgs seiner Strategie.


1953 Porsche 356 dashboard

Kilometerstand am Reiseziel: Man beachte die letzten drei Ziffern


Eigenhändig restauriert Seinen Porsche 356 hat der Mann mit gleicher Akribie für dieses Abenteuer vorbereitet. Obwohl: Nennenswerte Veränderungen am Motor oder Fahrwerk habe er eigentlich nicht vorgenommen. Er habe seinen Klassiker einfach so gut wie möglich restauriert und für diese Reise die wichtigsten Ersatzteile und das entsprechende Werkzeug ein gepackt. Er wisse aber, dass er sich auf dieses Auto einfach verlassen könne, erklärt Suzuki.

Der Porsche stamme aus den USA und würde sich seit 2003 in seinem Besitz befinden. In seiner Garage daheim stünde dann noch ein 911 Jahrgang 1967. Toshiyuki Suzuki öffnet die Tür seines mit einem bepackten Dachgepäckträger versehenen 356er, der als automobiler Ehrengast heute direkt vor dem Eingang des Porsche Museums in Stuttgart-Zuffenhausen parken darf – und dem man auf den ersten Blick ansieht, dass er eine lange Reise hinter sich hat. Er habe seinen 356 seit der Abreise in Tokio nur zweimal gewaschen, erklärt der Mann und ergänzt, dass dies sonst allerdings nicht seine Art sei, seine Autos zu behandeln.

In der Mitte des Cockpits fällt sofort ein montierter Tablet-Rechner auf. Für die Navigation, erklärt Suzuki. Er habe allerdings noch diverse Landkarten an Bord. Zur eigenen Sicherheit habe er auch je eine Dashcam in Fahrtrichtung sowie nach hinten montiert, um einen möglichen Unfallhergang aufzeichnen zu können. Im nächsten Moment verweist Suzuki auf den Kilometerstand, dessen letzte drei Ziffern seit der Ankunft vor dem Museum wahrhaftig 356 lauten.

Einfach unglaublich, erklärt der Mann aus Japan, er habe das selbst nicht fassen können und sei obendrein erst von einem Passanten darauf hingewiesen worden, der bei seiner Ankunft vor dem Museum einen Blick in das Auto geworfen habe. Nein, so etwas habe er bei aller Planung nun wirklich nicht beeinflussen können.

Bis zu 1000 Kilometer am

Tag Gab es unterwegs irgendwelche Probleme? Toshiyuki Suzuki lacht. Ja, es hätte eines gegeben: Er sei einfach viel schneller vorangekommen als geplant, was seinen minutiös ausgearbeiteten Zeitplan komplett durcheinandergeworfen habe. Bei seiner Planung sei er von den Erfahrungswerten anderer Reisender ausgegangen, erklärt Suzuki. Mehr als 500 Kilometer pro Tag seien in Russland nicht zu schaffen, lautete die allgemeine Meinung in diversen Online-Foren. An den meisten Tagen habe er dann allerdings 800 oder schon mal 1000 Kilometer zurückgelegt. Aber der Reihe nach: Da es keine direkte Verbindung von Japan nach Russland gibt,

Am Ende der Reise lauten die letzten drei Ziffern auf dem Kilometerzähler wahrhaftig 356. Ein unglaublicher Zufall

muss Toshiyuki Suzuki mit seinem Porsche zuerst per Fähre nach Südkorea reisen. Von dort geht es ebenfalls per Fähre bis in die sibirische Hafenstadt Wladiwostok – wo die Reise aus der Sicht von Suzuki dann eigentlich erst richtig beginnt: Die Strecke führt den Mann aus Japan und seinen tapferen 356 über Tschita und Ulan-Ude vorbei am Baikalsee und weiter über Novosibirsk, Omsk und Jekaterinburg bis nach Moskau.

Dieser rund 10 000 Kilometer lange Abschnitt sei schon mal sehr ermüdend gewesen, denn eigentlich sei es nur geradeaus durch einen unendlich scheinenden Birkenwald gegangen, erinnert sich Suzuki. Ist ihm entlang dieser Strecke noch etwas in Erinnerung geblieben? Suzuki nickt. Russische Lkw-Fahrer seien immer sehr nett und hilfsbereit gewesen. Russische Frauen hingegen wirkten auf ihn jedoch sehr streng, auf jeden Fall strenger als viele Männer, die er unterwegs getroffen habe, und sehr viel strenger als Frauen aus Japan. Und: Ein Porsche 356 sei in Russland nahezu unbekannt. Dort gelte Porsche in erster Linie nicht als Sportwagenmarke, sondern vielmehr als Hersteller von SUV.


1953 Porsche 356

Kommandozentrale: Tablet-Rechner, Handy und insgesamt zwei Dashcams zieren das Cockpit. Unten: Am Ziel – vor dem Porsche Museum


Zufallsbegegnung in Gmünd

Von der russischen Hauptstadt lenkt Suzuki seinen Porsche 356 weiter durch Lettland, Litauen und Polen, wo er sich angesichts der gewonnenen Zeit für einen Abstecher über Tschechien nach Österreich entscheidet: Er will nach Gmünd, also dorthin, wo der erste Porsche gebaut wurde. Als er dort am 24. Mai eintrifft, traut er seinen Augen nicht: Vor dem örtlichen Porsche-Museum parkt der Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster, der noch mit einem Mittelmotor versehene Prototyp des 356. Dieser Sportwagen wurde am 8.

Juni 1948 in Kärnten erstmals zugelassen, seitdem gilt dieses Datum als Geburtsstunde der Marke Porsche, die wenige Tage später ihren 70. Geburtstag feiern wird. Ebenfalls in Gmünd vor Ort und von der Begegnung mit dem Mann aus Japan in seinem 356 nicht minder überrascht: Frank Jung, Leiter des historischen Archivs des Stuttgarter Porsche Museums. „Unglaublich, was dieser Mann auf sich genommen hat, um zu unserer Geburtstagsfeier zu kommen“, staunt Jung. Der Preis für die weiteste Anreise in einem klassischen Porsche sei somit wohl so gut wie vergeben.

Nach einem Abstecher nach Wien nimmt Toshiyuki Suzuki endgültig Kurs auf Stuttgart, wo er nach über 15 000 gefahrenen Kilometern am 27. Mai 2018 ankommt. Natürlich lenkt er seinen 356 sofort bis direkt vor das Museum, wo ihn Frank Jung bereits erwartet und zu einer Führung durch das Historische Archiv einlädt. Anhand der Fahrgestellnummer präsentiert Jung seinem Gast aus Japan schließlich die sogenannte Kardex-Karte des Porsche 356. Auf dieser Pappkarte sind teils handschriftlich neben dem Datum der Auslieferung und dem Ende der Garantiezeit die Fahrgestell- und Motornummer sowie der erste Eigentümer und mögliche Sonderausstattungen vermerkt.

Der Porsche von Toshiyuki Suzuki wurde demnach am 9. März 1953 produziert und anschließend nach New York ausgeliefert. Ehrfürchtig blickt Suzuki auf das alte Dokument, gesteht, dass er in diesem Moment weiche Knie hatte. Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag am 8. Juni 2018 genießt Suzuki in vollen Zügen, sein Auto entpuppt sich zudem als Besuchermagnet: Es parkt gut sichtbar in der Museumswerkstatt. Im Oktober wird der Porsche 356 aus Japan zurück in seine Heimat gebracht – diesmal allerdings nicht auf Achse, sondern per Luftfracht.

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